Wie Erwachsene den Wert der Natur neu entdecken können
„Vorsicht! Achtung, komm da weg!“, energisch zieht die Oma ihren Enkel von dem blühenden Rosmarinstrauch fort. Sie hat den Jungen am Arm gepackt. Der Dreijährige stolperte ein wenig, überrascht durch die plötzliche Bewegung. Er wird von seinem Beobachtungsobjekt fortgezerrt. Dabei gab es doch so viel zu sehen! So viel Leben an den kleinen blauen Blüten! So viele emsige Insekten. Wie flink die angeflogen kamen, kurz vor der Blüte abbremsten und geschickt in die Blüte krabbelten. Faszinierend, dass sie dabei von dem glatt aussehenden Blütenrand nicht abrutschten und kurz nach dem Abtauchen in der Blüte schon wieder herauskamen. Doch weiter kam er nicht mit dem Beobachten. Jemand zerrte an seinem Arm, riss ihn aus seinen Gedanken. „Vorsichtig, da sind Bienen! Die stechen!“, warnt seine Oma ihn. Erst ein paar Meter von dem blühenden Strauch entfernt lässt sie ihn wieder los. „Du kannst hier spielen, auf der Straße. Aber bleib von dem Strauch weg. Da sind Bienen dran, die sind böse und stechen.“ Der Dreijährige bleibt folgsam im „sicheren“ Bereich auf dem asphaltierten Platz. Zwischenzeitlich unterbricht er immer wieder sein Spiel und wiederholt aufgeregt „Bienen! Tun stechen!“. Dabei deutet er auf den brummenden Verkehr an den blauen Blüten, nähert sich ihnen aber nicht mehr.
Es ist einer der ersten Sommertage des Jahres. Die Bäume tragen wieder ein grünes Blätterkleid. Am Feldrand blühen weiße Margeriten zwischen rotem Klatschmohn. Es ist einer der wenigen Feldraine am Rande der Stadt, an dem man noch auf die farbenfrohen Ackerwildkräuter trifft. An diesem besonders blütenreichen Exemplar ist besonders viel los. Es summt und brummt. Die Luft surrt von emsig sammelnden Insekten. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern geht am Feldrand spazieren. Die Kinder haben lange Stöcke gesammelt und schlagen mit den Stöcken auf den Boden. Ein kurzer, intensiver Fechtkampf zwischen den beiden führt zu einer kleinen Verfolgungsjagd. „Oh, schaut mal, wie schön!“, unterbricht die Mutter die beiden Raufbolde. „Guckt doch mal her!“, fordert sie sie auf und bleibt vor einem blühenden Weißdornstrauch stehen, der den Acker als Hecke begrenzt. Die beiden Kinder nähern sich skeptisch den weißen Blüten. „Was denn, Mama?“, fragt der Siebenjährige sichtlich gelangweilt und kickt seiner Schwester den Stock zwischen die Beine. Die springt geschickt darüber und ist als Erste bei der Mutter. „Schaut mal. Ist der nicht wunderschön?“, fragt die Mutter und deutet auf das Insekt, was auf einer der Blüten sitzt. Das Mädchen lacht fröhlich auf und stimmt zu. „Oh wie schön! Ein kleiner blauer Schmetterling. Die Flügel glitzern so schön in der Sonne.“ Kurz betrachten die beiden Kinder den Falter, bis er weg flattert. Dann wenden sie sich wieder ihrem Spiel zu.
Kennt ihr ähnliche Situationen, wie die oben beschriebenen? Situationen, in denen ein Marienkäfer begeistert auf den Finger gekrabbelt lassen wurde und über die Handflächen geleitet wurde, bis er die Flügel ausbreitet und mit einem enttäuschten „Oh schade, jetzt ist er weggeflogen“, begleitet wurde? Oder könnt ihr eine Geschichte erzählen, in der sich eine Spinne ins Haus getraut hat und panisch mit einem spitzen, ängstlichen Schrei weg geschlagen wurde? Oder kennt ihr andere Geschichten von ungeliebten Fliegen und beliebten Hummeln, von störenden Moskitos und von willkommenen Marienkäfern?
Aus Sicht der Natur hat jeder Tier seinen Nutzen. Egal ob Moskito oder Regenwurm, jedes Tier hat seinen Platz in der Nahrungskette. Und ein funktionierendes, gesundes Ökosystem braucht sowohl die Kreuzspinne als auch den kleinen Fuchs.
Was lebt ihr euren Kindern vor? Welchen Tieren steht ihr wohlwollend gegenüber und vor welchen habt ihr eine Abneigung? Gelingt es euch, vor Kindern allen Tieren unvoreingenommen zu begegnen und für jedes von ihnen, egal ob Spinne oder Schmetterling das gleiche Interesse zu bekunden? Nein? Ich muss zugeben: auch mir fällt es schwer. In meinem Fall sind es Spinnen. Die haben meines Erachtens zwei Beine zu viel und sind deshalb einfach nicht meins. Im Alltag muss ich mich deshalb zusammen reißen, um Spinnen gegenüber wohlwollend zu agieren. Geht es euch ähnlich? Leider habe ich für den Alltag keine besonders hilfreichen Tipps. Wenn ich auf eine Spinne treffe, denke ich daran, dass meine Tochter keine Angst vor Spinnen haben soll. Dann atme ich tief durch und trete den Rückzug an. Doch ich weiß einen sicheren Übungsraum für uns Eltern. Einen, in dem wir unseren Kindern vorleben können, dass jedes Tier wertvoll ist und für ein stabiles Ökosystem sorgt. Das kooperative Brettspiel Ecogon! Hier erschaffen die Mitspieler zusammen ein Ökosystem aus Lebensräumen, Tieren und Pflanzen. Nur wer geschickt anlegt und auf die Einflüsse der Ereigniskarten richtig reagiert, bekommt Punkte alias Bohnen. Zwar bekomme ich auch hier nicht gerne die Kreuzspinne. Aber ich weiß, dass die Natur sie braucht und unser Spiel auch. Und für eine Bohne springe ich gerne über meinen Schatten.
Über die Autorin:
Doch wer springt da eigentlich über seinen Schatten? Veronika Eicher, die Autorin dieses Textes, ist seit langer Zeit eine gute Freundin und Verbündete beim Schutze der Natur. Nach ihrem erfolgreichen Studienabschluss und der Geburt ihrer Tochter konnte Sie viel Schreiberfahrung über ihren Blog sammeln. Mit dem Wissen ihres Naturschutzstudiums und der Leidenschaft zu schreiben machte sie sich als Texterin für NGOs, Unternehmen, Magazine und Online-Medien selbstständig. Wenn ihr Interesse an hochwertigen Texten zu den Themen Natur & Umwelt, Nachhaltigkeit und Familie habt, schaut doch auf Veronikas Webseite (www.quercustexte.de) vorbei!
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